
Heutzutage muss alles schnell gehen. Die Lösung für Probleme muss einfach und effizient sein. Auch im Reitsport ist es nicht anders. Denn die wichtigste Frage lautet immer: Wann kann ich wieder reiten?
Viele Pferdebesitzer leben in der Vorstellung, dass Heilung ganz schnell funktioniert. Ein Zug hier, ein Ruck da und schwups läuft das Tier wieder. Es scheint faszinierend einfach zu sein. Das Pferd muss "eingerenkt" werden, heißt es. Aber was bedeutet das "der Wirbel bzw. das Gelenk ist ausgerenkt" eigentlich?
Ist ein Gelenk tatsächlich ausgerenkt, so bedeutet dies, das die Gelenkflächen eines Gelenkes nicht mehr in normaler Lage zu einander liegen. Es besteht eine Fehlstellung der das Gelenk bildenden Knochen zueinander. Dies kann nur infolge großer Krafteinwirkung passieren und bedeutet eine schwere Schädigung des Gelenks.
Ein Pferd dessen Wirbel z.B. im Bereich der Halswirbelsäule ausgerenkt ist, dürfte keine hohe Lebenserwartung haben. Denn durch den Wirbelkanal der Wirbelsäule verläuft das Rückenmark, das für die Versorgung des gesamten Körpers zuständig ist. Wäre ein Wirbel ausgerenkt, so wäre das Pferd wohl querschnittsgelähmt.
Aber: Möglich sind Blockaden, also eine Einschränkung der Beweglichkeit von Gelenken. Ursache einer solchen Blockade ist in der Regel eine Verspannung des umliegenden Gewebes bzw. der umliegenden Muskulatur. Als klassische Auslöser zu nennen sind hier z.B. Überdehnungen der Muskulatur und dauerhafte Fehlhaltungen.
Das Gewebe reagiert dabei in Form einer Schutzreaktion. Überdehnt sich die Muskulatur - z.B. in Folge eines Sturzes - reagiert der Körper mit einer Anspannung des betroffenen Gewebes. Der Körper stellt damit den betroffenen Bereich ruhig, um ihn zu schonen. Das Gelenk wird in seiner Funktion blockiert.
Bleibt eine solche Bewegungseinschränkung dauerhaft erhalten, obwohl der Auslöser nicht mehr vorhanden ist, kann dies zunächst zu Fehlbelastungen des betroffenen Gebiets führen. Im weiteren Verlauf können Fernwirkungen im gesamten restlichen Körper entstehen.
Wenn z.B. zwei Wirbel der Brustwirbelsäule untereinander in der Beweglichkeit eingeschränkt sind, sich also dort eine Blockade befindet, so kann dies neben der Bewegungseinschränkung auch zu einem Problem an einem Organ führen. Zum einen wird die arterielle Versorgung beeinflusst. Zum anderen befinden sich zwischen den Wirbeln Austrittstellen für die Spinalnerven, welche neben der Muskulatur auch die Haut und die Organe versorgen. Das bedeutet, dass eine Blockade in einem Wirbelsegment neben Bewegungsstörungen unter anderem auch Stoffwechselbeschwerden, Verdauungsprobleme (Koliken, Kotwasser, Durchfall etc.) und Atembeschwerden verschlimmern oder sogar auslösen kann. Probleme des Bewegungsapparates können sich also auf die inneren Organe auswirken. Aber auch umgekehrt können Dysfunktionen von Organen zu Problemen am Bewegungsapparat führen. Hier kann dann zum Beispiel auch die viszerale Osteopathie sehr hilfreich sein.
Worauf ich letztendlich hinaus möchte, ist, dass der Pferdekörper sehr komplex ist. Es reicht in der Regel nicht einmal zu drücken und schon ist das Problem weg. Vielmehr bedarf es einer ausführlichen Annamnese und Begutachtung des gesamten Körpers um überhaupt eine Behandlung durchführen zu können. Bis der ein oder andere Besitzer den Weg zum Therapeuten gefunden hat, ist meist auch schon eine gewisse Zeit vergangen. Das Pferd hat dann die Blockade bereits unphysiologisch kompensiert und dadurch sind bereits weitere Blockaden entstanden. Und man weiß schon nicht mehr, welches Problem die Kette in Gang gesetzt hat. Oftmals sind es kleine Auslöser, die zu einem großen Problem heranwachsen können.
Jemand der also für komplexe Probleme einfache Lösungen parat hat, halte ich deswegen für schlicht und einfach unseriös. Eine Behandlung benötigt Zeit und Ruhe.
Love your horse